Ein Post von Torsten Schwendrat
In meinem heutigen Post widme ich mich den Prozessen rund um den Versorgungsausgleich. Damit thematisiere ich eine der zentralen Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge, nämlich die, die ein für den Bürger verständliches Produkt fordert. Dass ein verständliches Produkt nur durch verständliche Prozesse erreicht werden kann, ist evident.
Im Abschlussbericht heißt es: „Eine Reform der privaten Altersvorsorge sollte auf eine möglichst einfache, transparente und gut erklärbare geförderte private Altersvorsorge hinwirken. Zentral dafür ist ein leicht verständliches Produktdesign. Ergänzend kann eine Stärkung der finanziellen Bildung in Bezug auf die Altersvorsorge erfolgen.“[1]
Der Versorgungsausgleich im Riester-Umfeld
Das Versorgungsausgleichsgesetz sieht den Grundsatz der internen Teilung vor. Betrachten wir diese zunächst genauer: Bei der internen Teilung überträgt das Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht.[2]
Was nach einer einfachen Berechnung klingt, ist in Wirklichkeit ein äußerst komplexer Prozess
Schaut man sich den Prozess der internen Teilung genauer an, wird es äußerst komplex und nur für die allerwenigsten Anleger nachvollziehbar. Warum das so ist, erläutere ich an folgendem Beispiel:
Bei der internen Teilung ist das übertragene Altersvorsorgevermögen zunächst als Kapitalbetrag ohne steuerliche Zuordnung zu behandeln. Geht die Mitteilung der ZfA über die geänderte Zuordnung für die Ehezeit beim Anbieter ein, hat dieser die Zuordnung in die steuerliche Bestandsführung zu übernehmen.[3]
Stellt die ausgleichspflichtige Person nach der Übertragung[4] einen Antrag auf Zulage für ein Beitragsjahr in der Ehezeit, sind bei der Ermittlung des Zulageanspruchs die gesamten von der ausgleichspflichtigen Person gezahlten Altersvorsorgebeiträge des Beitragsjahres - also auch der übertragene Teil der Altersvorsorgebeiträge – zugrunde zu legen. Die Zulage wird vollständig dem Vertrag der ausgleichspflichtigen Person gutgeschrieben. Die Zuordnung der Steuerverstrickung auf die ausgleichspflichtige und die ausgleichsberechtigte Person erfolgt, als wenn die Zulage bereits vor der Übertragung dem Vertrag gutgeschrieben worden wäre.[5]
In der Praxis heißt das, dass es in der Versorgungsausgleichsbearbeitung regelmäßig zu einer Abweichung der zugeordneten Zulage von der zugeflossenen Zulage kommt.
Bei der Durchführung eines Versorgungsausgleichs treffen demnach Zufluss- und Für-Prinzip aufeinander. Bei der Ermittlung des Ehezeitanteils und der Bestimmung des Ausgleichswertes wird nach dem Zuflussprinzip vorgegangen. Dies ist eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Dabei werden die Zulagenflüsse berücksichtigt, die innerhalb der Ehezeit in den Vertrag der ausgleichspflichtigen Person geflossen sind. Dies kann dazu führen, dass im Ausgleichswert Zulagen enthalten oder auch nicht enthalten sind, die in der Ehezeit geflossen sind, aber für Beitragsjahre gewährt sind, die außerhalb der Ehezeit liegen. Oder es führt dazu, dass für die Ehezeit Zulagen gewährt und diese außerhalb der Ehezeit gezahlt wurden.
Wenn Zufluss- und Für-Prinzip aufeinandertreffen, sind Differenzen vorprogrammiert
Die ZfA teilt dem Anbieter die Höhe der für die Ehezeit gewährten und gesondert festgestellten Zulagen mit. Sie teilt demnach den Umfang der auf die Ehezeit entfallenden steuerlichen Förderung mit. Diese Mitteilung beinhaltet die zugeordneten Zulagen für die innerhalb der Ehezeit liegenden Beitragsjahre. Für die Beitragsjahre, in die der Beginn oder das Ende der Ehezeit fällt, wird die Förderung monatsweise zugeordnet, indem jeweils ein Zwölftel der für das betreffende Beitragsjahr gewährten Förderung den zu der Ehezeit zählenden Monaten zugerechnet wird. Die monatsweise Zuordnung erfolgt unabhängig davon, ob die für diese Beitragsjahre gezahlten Beiträge vor, nach oder während der Ehezeit auf den Altersvorsorgevertrag eingezahlt wurden.
Die ZfA führt die Aufteilung nicht nach dem Zufluss-Prinzip, sondern nach dem Für-Prinzip durch
Durch dieses Nebeneinander von Zufluss- und Für-Prinzip können sich Differenzen in der steuerlichen Bestandsführung ergeben. Die gewährten Zulagen können von den gezahlten Zulagen abweichen. Dies kann in den Folgeprozessen zu Problemen führen.
Beispielsweise ist bei der Wohnbau-Entnahme für die Meldung des Datensatzes AZ06 Grundvoraussetzung, dass die Summe der Jahresdaten (geförderter Beitrag, Zulagen, geförderter Ertrag) mit dem gesamten geförderten Kapital übereinstimmen. Wurden zum Beispiel die Zulagen gewährt, aber nicht in der Ehezeit gezahlt, tritt eine Differenz auf.
Die Kernfrage: Was passiert bei der Berechnung von Folgeprozessen mit dieser Differenz?
Es ist nicht ausreichend festgelegt, wie bei der Berechnung von Folgeprozessen mit dieser Differenz umzugehen ist.
Die Übertragung des Anrechts von einem Vertrag der ausgleichspflichtigen Person auf einen Vertrag der ausgleichsberechtigten Person ist zunächst ein wirtschaftlicher Wertausgleich (Zuflussprinzip). Davon losgelöst erfolgt die steuerliche Verstrickung des übertragenden Anrechts ausschließlich durch die Datensätze ZA09/ZA10 durch die ZfA. Die Werte aus den Datensätzen ZA09/ZA10 sind somit maßgebend für die steuerliche Beurteilung. In der Folge kann es sich bei der Zulagenzahlung in den Vertrag des Ausgleichspflichtigen nur insoweit um eine geförderte Einzahlung handeln, wie die Zulage dem Vertrag gemäß Datensatz ZA09 zugeordnet wurde. Das heißt:
Die Zulagenzahlung oder die Zulagenrückforderung muss aufgeteilt werden
In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, in welchem Umfang die steuerliche Förderung auf die Ehezeit „entfällt“. Die Förderung entfällt auf die Ehezeit, wenn sie für ein Beitragsjahr gewährt wird, das innerhalb der Ehezeit liegt. Dabei sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden, die regelmäßig das Jahr betreffen, indem das Eheende liegt:
- eine Zulage wurde gewährt, aber nicht gezahlt
- eine Zulage wurde gezahlt, aber nicht gewährt
Die Aufteilung kann nach unserem aktuellen Verständnis auf zwei Arten erfolgen. In beiden Varianten bleibt der Wertstand unverändert.
- Die gezahlte Zulage wird nur in der Höhe als geförderte Einzahlung berücksichtigt, in der die Zulage dem Vertrag des Ausgleichspflichtigen zugeordnet ist. Der Restbetrag wird als nicht förderfähige (ungeförderte) Einzahlung oder Auszahlung betrachtet.
oder
- Die gezahlte Zulage wird nur in der Höhe berücksichtigt, in der die Zulage auch noch dem Vertrag des Ausgleichspflichtigen zugeordnet ist. Der Restbetrag wird nicht berücksichtigt und stellt aufgrund des unveränderten Wertstands einen Ertrag dar.
Bei beiden Varianten gibt es keine Abweichungen zwischen Gesamtwert und Summe der Einzelwerte im AZ06. In diesen Fällen fehlt es an einem Zufluss von Kapital (Zulagenzahlung). Der Zufluss findet ausschließlich im Vertrag der ausgleichspflichtigen Person statt. Als Lösungsansatz muss hier im übertragenden Ausgleichswert eine Umwidmung erfolgen. Ungefördertes Kapital muss in Höhe der Zuordnung als Zulage umgewidmet werden.
Diesen Umwidmungsprozess steuerlich zu verwalten ist eine der großen Herausforderung in der Verwaltung von Riesterverträgen. Eine verständliche Beratung des Kunden ist an diesem Punkt nahezu unmöglich.
Dies ist nur eine der vielfältigen steuerlichen Anforderungen, die auf einen Versorgungsausgleich folgen. Betrachtet man die Scheidungsquote in Deutschland, so ist der Prozess des Versorgungsausgleichs bei der zukünftigen Gestaltung der privaten Altersvorsorge keinesfalls zu vernachlässigen. Im Jahr 2022 betrug die Scheidungsrate von Ehen in Deutschland rund 35,15 Prozent. Im zweiten Quartal 2023 hat das Bundesministerium für Arbeit und Finanzen fast 16 Mio. Riesterverträge gezählt. Betrachten wir diese Zahlen wird deutlich, dass der Versorgungsausgleichsprozess unbedingt eine Vereinfachung erfahren muss.
Leichtere Verständlichkeit wird nur erreicht, wenn die Prozesse vereinfacht werden
Aus meiner Sicht wird auch beim Versorgungsausgleich wieder einmal deutlich, dass die von der Fokusgruppe empfohlene Verständlichkeit nur durch eine Vereinfachung der Prozesse und deren regulatorischen Rahmenbedingungen erreicht werden kann. Zieht man zur erfolgten Betrachtung noch die demographische Entwicklung und die damit einhergehende Bestandsalterung hinzu, werden immer mehr Ehescheidungen nach Beginn der Auszahlungsphase oder zeitlich in der Nähe der Auszahlungsphase erfolgen. Die führt dann zu einer weiteren Komplexitätsstufe.
Wie können wir also eine Komplexitätsreduktion erreichen?
Dies kann meines Erachtens durch einen neuen Standard-Prozess[6] erfolgen.
Standard-Prozess unter Einbeziehung der Deutschen Rentenversicherung Bund
Die gesetzliche Rentenversicherung ist bereits jetzt Auffang-Zielversorgung, wenn die ausgleichsberechtigte Person ihr Wahlrecht nicht ausübt und es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung handelt. Würde diese Übertragungsmöglichkeit der Anwartschaften auf die gesetzliche Rentenversicherung als Standardfall eingeführt werden,[7] würde man folgenden Zustand erreichen:
- Wie oben aufgezeigt, ergibt sich die Komplexität der Regelungen zum Versorgungsausgleich auch - oder im Wesentlichen - aus der steuerlichen Verstrickung von Beiträgen und Förderung. Bei einer Übertragung des Ausgleichswertes auf die gesetzliche Rentenversicherung führt die Einzahlung des Ausgleichswertes in die gesetzliche Rentenversicherung zum Teilungszeitpunkt nicht zu einer steuerlichen Einnahme oder zu einer schädlichen Verwendung[8]. Somit sind für den Teilungszeitpunkt keine steuerlichen Meldungen zu erstellen. Nach § 14 Abs. 4 VersAusglG hat die Zahlung in die gesetzliche Rentenversicherung des Anspruchsberechtigten als Kapitalbetrag zu erfolgen. In diesem Fall muss die Kapitalübertragung nicht per Datensatz AA01 gemeldet werden – dieser entfällt.[9] § 11 AltvDV findet also keine Anwendung.[10]
Die Übertragung der Anwartschaften auf die Deutsche Rentenversicherung Bund nimmt die gesamte Komplexität aus dem Versorgungsausgleichsprozess und den eventuellen Folgeprozessen.
Ein Nachteil für den Kunden wäre sicherlich, dass ihm, nach einer Übertragung in die gesetzliche Rentenversicherung, keinerlei Entnahmeoptionen mehr zur Verfügung stehen. Der Zweck der Altersvorsorge würde durch dieses Vorgehen aber umso mehr erreicht werden. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass es im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich in einigen Fällen zu einer Schädlichen Verwendung bei der ausgleichsberechtigten Person kommt.
Diskutieren Sie mit.
Wo sehen Sie Potenzial zur Reduzierung der Komplexität?
Ich freue mich auf Ihre Vorschläge und Kommentare.
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Torsten Schwendrat Geschäftsführer bei Aeiforia Volljurist mit dem Schwerpunkt Lebensversicherungsrecht |
[1] Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18. Juli 2023, Seite 5.
[2] Sofern nach der internen Teilung durch das Familiengericht für beide Ehegatten Anrechte gleicher Art bei demselben Versorgungsträger auszugleichen sind, vollzieht dieser den Ausgleich nur in Höhe des Wertunterschieds nach Verrechnung. Satz 1 gilt entsprechend, wenn verschiedene Versorgungsträger zuständig sind und Vereinbarungen zwischen ihnen eine Verrechnung vorsehen (§ 10 Absatz 2 VersAusglG).
[3] Vgl. BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2023, Rz. 355.
[4] im Sinne des § 93 Absatz 1a Satz 1 EStG.
[5] Vgl. BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2023.
[6] Warum „Standard-Prozess“ und was es damit auf sich hat werde ich in einem der folgenden Blogbeiträge erläutern. Insbesondere im Zusammenhang mit der sog. Ehegatten-Übertragung bei Tod.
[7] Dafür wäre allerdings eine Abkehr vom Grundsatz der internen Teilung erforderlich.
[8] Dies ergibt sich aus § 15 Abs. 3 und 4 VersAusglG und aus § 93 Abs. 1a EStG, § 3 Nr. 55b Satz 1 EStG.
[9] Diese Meldepflicht besteht nur bei Übertragungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Buchstabe b des AltZertG sowie in den Fällen des § 93 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c, Abs. 1a Satz 1 oder Abs. 2 Satz 2 und 3 des EStG.
[10] Wir haben es aber mit einem Versorgungsausgleich zu tun, in dem die Zielversorgung die gesetzliche Rentenversicherung ist, demnach handelt es sich um eine Übertragung nach § 93 Abs. 1a Satz 2.

