Ein Post von Torsten Schwendrat
In meinem heutigen Post widme ich mich der Mindesteigenbeitragsberechnung. Ich erläutere die Vorstellungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge rund um das Thema Mindesteigenbeitrag und bewerte diese im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Prozesse und die Bestandsverwaltung.
Ich lade Sie ein, vorgestellte Ideen, Ansichten und Lösungen zu kommentieren und mit mir zu diskutieren. Schreiben Sie mir Ihre Meinung zur Neugestaltung der privaten Altersversorgung und den von mir herausgearbeiteten Schwerpunkten. Ich freue mich auf Ihr Feedback.
Die Neugestaltung der privaten Altersversorgung
Die Ampelkoalition hat im gemeinsamen Koalitionsvertrag über 170 Vorhaben formuliert. Eines dieser Vorhaben ist die Reform der privaten Altersversorgung in Deutschland.[1] Um dieses Ziel zu erreichen, wurde die Fokusgruppe private Altersvorsorge als Expertengruppe gegründet. Sie erhielt den Auftrag, Empfehlungen für die Gestaltung der „neuen“ privaten Altersversorgung in Deutschland zu erarbeiten.
Die Fokusgruppe hat sich mit den im Koalitionsvertrag formulierten Prüfaufträgen befasst. Sie sollte u. a. - unter Wahrung des Bestandsschutzes für bestehende Riester-Verträge - das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds, der Altersvorsorgenden ein kostengünstiges und effektives Angebot mit Abwahlmöglichkeit unterbreitet, und die gesetzliche Anerkennung privater Altersvorsorgeprodukte prüfen, die eine höhere Rendite als bisherige Riester-Verträge ermöglichen.[2]
Eine Reform der privaten Altersvorsorge sollte auf eine möglichst einfache, transparente und gut erklärbare geförderte private Altersvorsorge hinwirken.[3]
Vor diesem Hintergrund wurden Verbesserungsmöglichkeiten an der bestehenden privaten Altersvorsorge berücksichtigt.
Empfehlungen der Fokusgruppe private Altersvorsorge zum Mindesteigenbeitrag
Nach der bisherigen Gesetzeslage wird die Altersvorsorgezulage von der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) nur dann in voller Höhe gewährt, wenn der Berechtigte einen bestimmten Mindesteigenbeitrag zugunsten der begünstigten Verträge - maximal zwei - erbracht hat (§§ 86, 87 EStG). Erbringt der Berechtigte den erforderlichen Mindesteigenbeitrag nicht, erfolgt eine anteilige Kürzung der Zulage. Eine Nachholungsmöglichkeit in späteren Beitragsjahren besteht grundsätzlich nicht.
Dies ist ein Prozess, der für den Anleger teilweise nicht transparent ist und beim Anbieter (auch bei der ZfA) zu Rückforderungen führen kann, die vermeidbar wären. Nicht selten sind es geringe Euro-Beträge, die diesen Prozess anstoßen und zu Rückfragen und Unverständnis beim Anleger führen können.
Wenn wir einen Blick auf die Zahlen werfen, stellen wir fest, dass es bei ca. 42 % (Stand 31.12.2022) der geprüften Konten zu Zulagenrückforderungen kommt, weil der Mindesteigenbeitrag nicht erreicht wurde.[4]
Was sind nun die Ideen der Fokusgruppe zum Mindesteigenbeitrag? Im Abschlussbericht finden sich zu diesem Thema die folgenden drei Ansätze:
1. Die beitragsproportionale Grundzulage
Bei der beitragsproportionalen Grundzulage soll sich die Höhe der Grundzulage nach der Höhe des geleisteten Beitrags richten, wobei eine Deckelung der Zulage erwogen wird. Auch bei einer beitragsproportionalen Zulage soll diese lediglich als Vorauszahlung für den sich aus dem Sonderausgabenabzug ergebenden Steuer-vorteil dienen und weiterhin der nachgelagerten Besteuerung unterliegen.[5] Eine einkommensabhängige Mindesteigenbeitragsberechnung würde so entfallen.
2. Einführung von Matching-Zonen
Bei den Matching-Zonen soll es sich um ein System handeln, in dem der Fördersatz, wie bei der beitragsproportionalen Grundzulage, an die Höhe der geleisteten Eigenbeiträge gekoppelt wird, allerdings nicht proportional. Geringere Beiträge sollen besonders stark, höhere Beiträge weniger stark durch Zulagen gefördert werden. Die einzelnen Matching-Zonen wären vom Gesetzgeber zu bestimmen. Auch hier würde eine einkommensabhängige Mindesteigenbeitragsberechnung entfallen.[6]
3. Einführung einer Kulanzregelung
Als eine weitere Lösung wird im Abschlussbericht auch eine Kulanzregelung diskutiert. Diese könnte in Anlehnung an die Kleinbetragsgrenze eingeführt werden. So könnte die volle Zulage ausbezahlt werden, wenn der Kürzungsbetrag weniger als 25 Euro betragen würde. Mit der jährlichen Bescheinigung nach § 92 EStG soll dann darüber informiert werden, dass der Mindesteigenbeitrag nicht mehr geleistet wurde und für das Folgejahr eine Kürzung der Zulage droht. Zudem wurde angeregt, den Vorsorgenden zu ermöglichen, eine bestehende Differenz zum erforderlichen Mindesteigenbeitrag im Folgejahr nachzuzahlen.[7]
Die Empfehlungen der Fokusgruppe auf dem Prüfstein: Ein Bewertungsansatz
Was ist von den Ansätzen zum Mindesteigenbeitrag aus Bestandsverwaltungs- und Prozesssicht zu halten? Lassen sich Einfachheit, Transparenz und Verständlichkeit erreichen?
Die Ampelkoalition und die Expertengruppe sind mit dem Ziel angetreten, dass eine künftige Förderung der privaten Altersversorgung insbesondere einfach und für alle nachvollziehbar sein soll.[8]
Die Einfachheit bezieht sich – so der Eindruck des Verfassers – in erster Linie auf eine leichte Verständlichkeit der Förderungsregelungen und des Produkts und weniger auf eine unkomplizierte Verwaltung und Abwicklung der Verträge beim Anbieter des Altersvorsorgeprodukts.
Demnach findet eine Vereinfachung genau dort nicht statt, wo die Aufwände und Kosten entstehen. Betrachtet man die oben genannten Ansätze zur Änderung bei der Mindesteigenbeitragsberechnung, könnte eine Prozesserleichterung[9] allenfalls durch die beitragsproportionale Grundzulage erreicht werden.
Prozesserleichterungen – in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der Regelungen – könnte allenfalls die beitragsproportionale Grundzulage bringen. Aus Praxissicht birgt die Lösung über die oben genannten Matching-Zonen die Gefahr, zu komplex zu werden.
Auch der Ansatz, dass geringere Beiträge besonders stark und höhere Beiträge weniger stark gefördert werden, erscheint auf den ersten Blick nicht einfach und nachvollziehbar.
Der Begriff der Kulanzregelung täuscht mehr Substanz vor, als in ihm enthalten ist. Zunächst würde es sich eben nicht um eine Kulanz (freiwilliges Entgegenkommen), sondern um eine Kleinbetragsregelung handeln. Die Einführung hätte zur Folge, dass die Bescheinigungspflicht nach § 92 EStG weiter ausgeweitet werden würde und ein neuer Prozess implementiert werden müsste, wenn eine Nachzahlung im Folgejahr ermöglicht werden soll.
Unsere Kernfrage lautet daher: Wie könnte die Regelung zum Mindesteigenbeitrag sowohl aus Anbietersicht als auch aus Sicht des Anlegers vereinfacht werden?
Eine Möglichkeit, die Komplexität zu reduzieren, besteht darin, sich von Prozessen, die umfassend sind, zu trennen. Warum also nicht auch vom Mindesteigenbeitrag?
Eine weitere Möglichkeit, Komplexität zu reduzieren, lässt sich in folgendem Zusammenhang darstellen: Voraussetzung für die Gewährung der Grundzulage ist, dass ein (zertifizierter) Altersvorsorgevertrag abgeschlossen wird. Unabhängig von der Höhe des Eigenbeitrags des Anlegers wird die Grundzulage gewährt. Dies allerdings nicht für – wie bisher – zwei Verträge, sondern nur noch für einen Altersvorsorgevertrag.
Diskutieren Sie mit.
Wo sehen Sie Potential zur Reduzierung der Komplexität?
Ich freue mich auf Ihre Vorschläge.
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Torsten Schwendrat Geschäftsführer bei Aeiforia Volljurist mit dem Schwerpunkt Lebensversicherungsrecht |
[1] „Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge...“; siehe Koalitionsvertrag 2021 – 2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und den Freien Demokraten (FDP), Seite 74.
[2] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 8.
[3] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 5.
[4] Gesamtpräsentation der Anbieterinformationstage der ZfA am 7. und 8. Juni 2023, Folie 12.
[5] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 105f.
[6] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 21.
[7] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 21.
[8] vgl. Abschlussbericht der Fokusgruppe private Altersvorsorge, Stand 18.07.2023, Seite 105.
[9] Dies allerdings ausschließlich vor dem Hintergrund, dass die konkrete Ausgestaltung der zukünftigen Regelung noch ungewiss ist. Erfahrungsgemäß erwarten uns die einen oder anderen bürokratischen Hürden.

